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Heiligabend

Ihr Lieben,

das letzte Türchen,  der letzte Beitrag meines diesjährigen Adventskalenders. Ich glaube, seitdem ich "öffentlich" schreibe, gab es in jedem Jahr einen Kalender. Es macht mir immer viel Spaß, die Vorweihnachtszeit mit euch zu verbringen, mir Geschichten und Gewinnspiele auszudenken. 

Ich hoffe, ich konnte euch mit dieser kleinen Geschichte ein wenig unterhalten, vielleicht auch für einen Moment vom Alltag ablenken. 

Heute ist Heiligabend. Eine besonderer Abend, selbst wenn man so wie ich, nicht religiös lebt. Trotzdem lässt sich der besondere Zauber und vielleicht auch eine gewisse Hoffnung nicht leugnen. 

Ich wünsche euch eine schöne, erholsame und besinnliche Zeit. Denkt nicht so viel daran, was anders ist oder in diesem Jahr nicht geht, sondern genießt und besinnt euch auf das, was ihr habt und was wirklich wichtig ist. 

Ich drücke euch virtuell und danke euch von Herzen dafür, dass ich für euch schreiben darf, dass ihr meine Bücher lest, Kommentare und Rezensionen schreibt und mich motiviert. 


Die weihnachtliche Glücksfee hat ausgelost. Den Geschichtenkalender für 2021 hat gewonnen: 

Tanja Sonntag

Herzlichen Glückwunsch!

Bitte schick deine Adresse an nachricht[at]karostein.de


20.  Türchen

Sonntag und ab morgen habe ich Weihnachtsurlaub, sodass ich Violas Fragen am Telefon ausweichend beantworten kann. Ich kann es ihr nicht erzählen, deshalb hört sie quasi schon die Hochzeitsglocken oder vielmehr die Weihnachtsglocken läuten.

Draußen regnet es. Ich döse auf dem Sofa und bemitleide mich selbst. Meine Eltern haben mir im Herbst mitgeteilt, dass sie eine Weihnachtskreuzfahrt machen möchten. Natürlich habe ich zugestimmt, aber jetzt ... Der Gedanke, dass ich allein sein werde, ist plötzlich bedrückend.

»Verdammt!«

Es klingelt. Mein Puls rast. Ich springe auf, verharre, gehe vorwärts, zurück und öffne fluchend die Tür. 

Der Anblick irritiert mich, denn ich sehe nur einen Strohhut und Eisverpackungen.

»Was soll das?« 

»Der Adventskalender schlägt heute Sommerfeeling vor. Ich habe Eis und Obst und einen Film.«

»Florian, ich ...«

»Mit Eis lässt es sich besser reden«, erwidert er leise. »Bitte.«

Seufzend stimme ich zu. Auf dem Küchentisch breitet er eine Menge Zeug aus. Sogar Schüsseln hat er mitgebracht.

»Von dem Obst möchte ich nichts«, sage ich.

»Zu gesund für einen Eisbecher?«

»Mag keins«, gebe ich zu. 

»Okay.«

Ich beobachte Florian, wie er riesige Berge Eis in die Schüsseln füllt. Sahne, Schokosoße, Streusel und bunte Schirmchen. 

»Ich habe die Gefahr nicht gesehen«, sagt er, als wir unbehaglich auf dem Sofa sitzen. »Wir hatten viel Spaß zusammen, aber beide wohl nicht genug Erfahrung, um mit all dem Zeug umzugehen. Ich musste mich übergeben und als ich zurückkam, warst du ...« 

Ich schließe die Augen und versuche die Bilder zu verdrängen. Eine eigene Erinnerung habe ich nicht, aber es gab ein erschreckendes Video.

»Ich habe deine Freunde gesucht, weil ich dir nicht helfen konnte. Offenbar denken sie nun, dass ich schuld bin.«

Stumm sehen wir uns an.

»Ich konnte nicht aufhören, an dich zu denken«, flüstert Florian mit Tränen in den Augen.

 

21.  Türchen

Nachdem mir Viola am Telefon mehr Informationen entlockt hat, als gehofft, brauche ich Bewegung und jogge eine kleine Runde. Ich habe ihr keine speziellen Einzelheiten erzählt, aber ihr unvoreingenommener Blickwinkel hat mir die Augen geöffnet. Ich weiß, dass ich am Anfang der Party verdammt viel Spaß hatte ... mit Florian. 

Vor der Tür begegne ich ihm und Sammy. 

»Wo wollt ihr denn hin?« Ich deute auf den großen Beutel, den sie gemeinsam tragen.

»Wir bringen Futter ins Tierheim«, erzählt Sammy strahlend. »Kommst du mit?« 

»Ich weiß nicht ...« Unsicher schaue ich Florian an, der sofort nickt. 

»Ach, bitte Miro«, bettelt seine Nichte. »Wir hatten beim Backen so viel Spaß.«

»Ich muss mich erst umziehen.« Ich deute auf meine Sportsachen.

»Beeile dich«, fordert Florian mit einem süßen Lächeln.

Aus Gewohnheit schaue ich in den Briefkasten und entdecke eine Karte, auf der Hund und Katze nebeneinandersitzen.

»Tu etwas Gutes für die Tiere im Tierheim«, steht auf der Rückseite.

Lachend wedele ich mit der Karte.

»Jetzt habe ich gar keine andere Wahl.« Ich öffne die Tür und stürme eilig die Treppen nach oben. 

Knapp zehn Minuten später bin ich frisch und ordentlich angezogen wieder unten. 

»Zum Tierheim können wir zu Fuß gehen«, erklärt Sammy. Dann erzählt sie von all den Tieren, die sie gern haben möchte und unterhält uns damit den ganzen Weg. 

Sie stürmt ins Katzenhaus. Wir folgen ihr langsam.

»Ich bin froh über die seltsame Fügung des Schicksals«, sage ich leise und berühre Florians Hand. »Es ist schön, dich kennenzulernen.« 

Seine Finger zittern. Ich greife fester zu. Es kribbelt in meinem Bauch.

»Dann gibst du dem Weihnachtself eine Chance?«, fragt Florian.

»Bis zum 24. erwarte ich mein Happy End.«

Lachend umarmt er mich. 

 

 

22.  Türchen

Heute erledige ich den Weihnachtsputz. Beim Staubwischen betrachte ich erneut den kleinen Elf.

»Du hast mir eine wirklich erstaunliche Vorweihnachtszeit beschert.« Schmunzelnd rücke ich ihn zurecht, damit er auch weiterhin alles genau beobachten kann. 

Ich tanze mit dem Staubsauger zur Weihnachtsmusik durchs Wohnzimmer und fühle mich aufgeregt und glücklich. Natürlich weiß ich, dass wir die Vergangenheit nicht ausschließen können, aber nun sind die Umstände anders. Ich habe mich verändert, bin nicht mehr der Kerl, für den nur Sex zählt. Das Geschehen auf der Party hat meine Einstellung geändert, obwohl ich den Möglichkeiten von Berlin auch danach nicht widerstehen konnte. Ich bin lediglich vorsichtiger und kontrollierter geworden. 

Letztendlich war das einer der Gründe, weshalb ich weggegangen bin. Ich wollte diesem Überfluss entfliehen und hatte gehofft, echte Nähe zu finden. Das hat sogar schneller geklappt, als gedacht. 

Als es an der Tür klingelt, stürme ich voller Vorfreude hinaus. 

Florian trägt eine rote Weihnachtsmütze und hält einen Eimer Popcorn in der Hand. 

»Zeit für Weihnachtsfilme«, meint er. 

»Perfektes Timing«, erwidere ich und genieße den zarten Kuss, den ich auf die Wange bekomme. »Bin gerade mit Aufräumen fertig.«

Wir machen es uns auf dem Sofa bequem. Florian hat offenbar den passenden Film bereits ausgesucht. 

»Echter Weihnachtskitsch.« Er grinst mich an. 

»Ich will nicht, dass die Vergangenheit unsere Zukunft bestimmt.« Die Worte platzen aus mir heraus. »Können wir hier als Nachbarn neu anfangen? Als Weihnachtself und Nachbar?«

»Ich habe mir so oft eine zweite Chance gewünscht. Die Möglichkeit, miteinanderzureden, die Dinge zu klären und uns richtig kennezulernen. Offenbar habe ich einen guten Draht zum Weihnachtsmann. Anders ist es nicht zu erklären, dass wir beide jetzt hier auf deinem Sofa sitzen.«

»Weihnachtsmagie«, flüstere ich und lehne mich zufrieden gegen Florians Schulter.

 

23.  Türchen

Ich bin beeindruckt von Florians Zurückhaltung. Mir gefällt die Nähe, aber ich wäre bereit für mehr. 

Der gestrige Abend war romantisch, obwohl wir beim dritten Film eingeschlafen sind. Aneinandergelehnt und mit dem Bauch voller Popcorn. Ich habe mich zum ersten Mal in meiner Wohnung richtig behaglich gefühlt. 

Leider ist Florian mitten in der Nacht nach oben gegangen. Zum Abschied bekam ich den süßtesten Gute-Nacht-Kuss aller Zeiten. Unschuldig und erregend. Mein Körper stand unter Strom, bekam jedoch nicht mehr.

Gegen Mittag halte ich es nicht länger aus und schaue nach, ob der Weihnachtself bereits das vorletzte Türchen für mich geöffnet hat. Noch nie war Weihnachten so spannend und verheißungsvoll wie in diesem Jahr. 

Ein Päckchen liegt auf dem Boden vor meiner Tür. Mit einem kleinen Jubelschrei hebe ich es hoch und reiße das Papier kaputt. Ein grüner Schlafanzug mit Zuckerstangen und Rentieren kommt zum Vorschein. 

Lachend ziehe ich ihn an. Ebenso die Weihnachtssocken. Aufgeregt mache ich mich auf den Weg nach oben.

Noch ehe ich mich bemerkbar machen kann, reißt Florian die Tür auf. Er trägt einen ähnlichen Schlafanzug in Rot mit Elfen.

»Pyjamaparty«, ruft er und zieht mich ins Wohnzimmer.

»Haben wir nicht erst gestern Filme angesehen?«, frage ich schmunzelnd. 

»Heute ist Serien-und Kuschelzeit.« 

Auf dem Sofa liegen Kissen und Decken. In der Mitte steht eine Schüssel.

Florian lehnt sich gegen eine Ecke der Couch, streckt die Beine auf die Sitzfläche und klopft einladend dazwischen. Ich krabble zögernd zwischen seine Schenkel und lege meinen Kopf auf seine Brust. Er zieht eine Decke über uns. 

Zufrieden seufzend lausche ich seinem Herzschlag. 

Wir entscheiden uns für eine Krimiserie, die ich schon lange schauen wollte. 

In der Schüssel befindet sich roher Plätzchenteig. Florian zupft etwas davon ab und füttert mich damit. 

»So habe ich noch nie einen Nachmittag verbracht«, gebe ich genüsslich schmatzend zu.

 

24.  Türchen

Ich weiß nicht, was mich heute erwartet, aber mein Herz hämmert wild und in meinem Bauch tanzen Schneeflocken, sodass mir abwechselnd heiß und kalt wird. 

Unwillkürlich gehe ich zum Regal und nehme den Elf in die Hand. Wir mustern uns stumm. Als ich hergezogen bin, wollte ich eine Veränderung. Beruflich und privat. Allerdings hatte ich nicht damit gerechnet, dass ein kleiner Elf so viel Einfluss darauf haben würde. Er hat einen Teil meiner Vergangenheit mit der Zukunft verknüpft, dieses unbestimmte Gefühl in meinem Inneren ausgefüllt und mir eine Heimat gegeben. Ich versuche nicht, zu enthusiastisch zu sein, aber so glücklich wie in den vergangenen Tagen habe ich mich schon seit einer Ewigkeit nicht mehr gefühlt. Wobei ... es gibt da noch eine Kleinigkeit, der wir endlich ein bisschen mehr Beachtung schenken sollten. Einer gewissen körperlichen Komponente, denn selbst gestern auf Florians Sofa sind wir anständig geblieben. Nur kuscheln, Teig naschen und fernsehen. Es ist großartig, aber ich will ihn in meinem Bett. 

»Hörst du Elf? Ich will mit Florian schlafen. Vielleicht kannst du ihn überreden, nachdem Besuch bei seinen Eltern die Nacht mit mir zu verbringen.«

Die Klingel bringt mich zum Lächeln. Nervös gehe ich in den Flur und öffne die Tür. Florian steht vor mir. Ich schaue ihn erwartungsvoll an. Sein Blick wandert nach oben. 

»Ein Mistelzweig«, flüstere ich mit wildem Herzklopfen.

Er beugt sich vor, legt eine Hand in meinen Nacken, wartet, lächelt ... Ich überwinde die letzte Distanz und küsse ihn. Ein echter Weihnachtskuss, süß und verheißungsvoll. Erregend ... Ich packe Florians Shirt und ziehe ihn in die Wohnung. Küssend taumeln wir ins Wohnzimmer, fallen aufs Sofa. Meine Hände suchen nach nackter Haut. Bilder blitzen auf. Ich heiße sie willkommen, ebenso wie Florians Zunge in meinem Mund.

»Der Weihnachtself hat sein Versprechen gehalten«, flüstere ich atemlos. »Wundersame Dinge.« Ich verliere mich in Florians zärtlichem Blick. 

»Offenbar ist die Weihnachtszeit tatsächlich magisch«, behauptet er schmunzelnd.

»Du bist magisch. Da war immer dieses Gefühl in meinem Herzen. Ich konnte es nicht beschreiben, wusste nicht, wonach ich suchen sollte, aber das warst du.«

»Dein Brief hat mich sehr berührt und mir bewusst gemacht, dass ich auf jeden Fall um dich kämpfen werde.«

»Du hast mich«, sage ich leise. »Mit jedem Türchen deines zauberhaften Adventskalenders hast du mich ein Stück mehr eingefangen.«

»Frohe Weihnachten, Miro«, flüstert er und küsst mich stürmisch. 

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Kommentare: 6
  • #1

    Piccolo (Donnerstag, 24 Dezember 2020 09:44)

    Liebe Karo,

    ich wünsche dir und deinen Lieben frohe und besinnliche Weihnachten.
    Dankeschön, dass du uns die Adventszeit mit deinen Kalender versüßt hast.

    LG Piccolo

  • #2

    Karin (Donnerstag, 24 Dezember 2020 10:00)

    Vielen Dank für diesen Adventskalender ♥️
    Ich war heuer das erste Jahr dabei und fand es wunderschön.
    Ich wünsche Dir eine schönes Weihnachtsfest und eine gute Zeit mit Deinen Lieben

    Viele Grüße und nochmal ganz vielen Dank für die 15-Minuten-Weihnacht. Es war toll!

  • #3

    Anna (Donnerstag, 24 Dezember 2020 12:06)

    Liebe Karo,
    ich freue mich jedes Jahr wieder auf deinen Adventskalender und werde immer wieder von deinen schönen Geschichten beeindruckt.
    Ich wünsche dir und deinen Lieben schöne Weihnachten und ein weniger anstrengendes und erfülltes 2021.
    Liebe Grüße Anna

  • #4

    Simone (Donnerstag, 24 Dezember 2020 12:21)

    Liebe Karo,

    vielen Dank für Deine wundervolle Geschichte.Ich wünsche Dir und deinen Lieben ein besinnliches Weihnachtsfest und einen guten Start ins neue Jahr.
    Liebe Grüße Simone

  • #5

    Jana S. (Donnerstag, 24 Dezember 2020 14:25)

    Liebe Karo,

    jetzt habe ich tatsächlich an Heiligabend die Zeit gefunden diesen Kalender zu Ende zu lesen. Ich sage ganz herzlich Danke und wünsche dir und deiner Familie ein paar schöne und ruhige Feiertage!

    LG Jana

  • #6

    Sabrina P. (Freitag, 25 Dezember 2020 14:21)

    Liebe Karo,

    vielen lieben Dank für diesen schönen Adventskalender.
    Ich habe mich jeden Sonntag auf die neuen Türchen gefreut. :)

    Ich wünsche Dir und Deiner Familie noch ein paar wunderschöne Weihnachtsfeiertage.

    Bleibt gesund!

    Liebe Grüße,
    Sabrina P.