· 

Dritter Advent - Samstag

Auf dieses Wochenende freue ich mich immer ganz besonders. Unglaublich, dass es schon zehn Jahre her ist, als ich diese kleine Idee für eine Kurzgeschichte mit ungewöhnlicher Weihnachtsdekoration und einem Onlineshop mit einem ganz besonderen Namen hatte. Ich hätte nicht gedacht, dass er mich über so viele Jahre durch die Weihnachtszeit tragen würde, obwohl ich mich immer noch nicht getraut habe, die Domain zu sichern oder ihm wirklich Leben einzuhauchen. Eigentlich gefällt mir der dritte Advent ganz gut dafür. 

Tatsächlich habe ich mir gerade das erste Buch angeschaut, mit dem alles angefangen hat. Es ist leider nicht nur eine schöne Erinnerung, aber dieses Gefühl, als alles so neu und aufregend war, das konnte ich beim Durchblättern richtig fühlen. 

Und weil ich ein bisschen verrückt bin und gern dieses Wochenende mit euch feiern möchte, gibt es schon heute einen kleinen Schwängelbells- Gewinn. Mit einem Kommentar hüpft ihr in den Lostopf.

Insgesamt verlose ich heute zehn Karten-und Magnetsets.

Viel Glück!


Und natürlich verkünde ich hier auch, wer das Buch vom 2. Advent gewonnen hat.

Herzlichen Glückwunsch, Piccolo!


Kevins Weihnachtschaos

«Kevin, was ist mit unserer Küche passiert?» 

Michaels Stimme schallt durch das ganze Haus. Ich höre ihn, obwohl ich draußen auf dem Balkon stehe und sinnlos vor mich hinstarre. Es hat geschneit. Zum Glück, denn der Schnee verdeckt die riesigen kahlen Flächen, auf denen noch im letzten Jahr Bäume standen. Jetzt haben die heißen Sommer und der verdammte Borkenkäfer sämtliche Bäume vernichtet. Es ist kaum zu glauben, dass wir eigentlich mitten im Wald leben. Der Anblick gleicht eher einer großen Geröllhalde oder eines epischen Schlachtfeldes. Allerdings ohne Leichen.

Im Sommer war zumindest alles noch mit niedrigen Sträuchern und Blumen bewachsen, aber der Herbst hat eine gruselige Kraterlandschaft erzeugt. Jetzt hat der Schnee alles bedeckt, sodass es wirklich schön winterlich und na ja ... irgendwie auch romantisch aussieht.

«Kevin?»

Michael poltert die Stufen nach oben. Ich seufze schwer und verschränke die Arme vor der Brust. Es ist verdammt kalt mit dem dünnen Shirt und der Jogginghose, aber ich bin so nervös und unruhig. 

«Hier steckst du!» Michael steht hinter mir. «Wieso antwortest du mir nicht und was machst du da draußen in der Kälte?» 

Seine Arme umschlingen mich von hinten. Ich lehne mich zurück und schließe für einen Moment die Augen. Seine Nähe tut gut und sorgt dafür, dass das Chaos in meinem Inneren ein wenig zur Ruhe kommt. Allerdings weiß ich nicht, was ich ihm antworten soll, ohne mir kindisch vorzukommen.

«Ist dir aufgefallen, dass eine Bombe in unserer Küche eingeschlagen ist?», fragt Michael. Er drückt mich fester an sich. Die Wärme seines Körpers sorgt für eine Gänsehaut. 

«Willst du dich in einen Schneemann verwandeln? Lass uns reingehen. Vielleicht können wir drinnen auch aufhören, so zu tun, als würde ich Selbstgespräche führen.»

«Tut mir leid», flüstere ich und drehe mich in seinen Armen um. «Ich bin nervös.»

Micheal geht rückwärts und nimmt mich mit nach drinnen. Ich fange an zu zittern. Als ich mich in dem Zimmer umschaue, wird es noch schlimmer. Ich weiß nicht, weshalb ausgerechnet jetzt die alten Bilder in meinem Kopf auftauchen. Meine Ankunft, der verfluchte Deal und dieser Raum, der nun schon seit Jahren ein Gästezimmer ist. Ich brauche keinen extra Platz für mich, denn ich habe alles, was ich benötige bei Michael. 

Manchmal kann ich es selbst kaum glauben. Alles fühlt sich richtig und perfekt an. Ich bin glücklich und habe tatsächlich meinen Platz im Leben gefunden. Ganz anders, als ich es jemals erwartet oder erträumt hatte. Viel besser, ehrlicher und so voller Liebe, dass ich nach all der Zeit immer noch vollkommen überwältigt bin. 

«Küche, Kevin!», sagt er ernst, lehnt sich ein wenig zurück und sieht mich an. «Was ist mit der verdammten Küche passiert?»

«Ich wollte backen, aber irgendwie konnte ich mich nicht konzentrieren und dann bin ich ausgeflippt und musste an die frische Luft», gebe ich kleinlaut zu.

«Dir ist schon klar, wer als nächstes ausflippen wird?», erkundigt er sich schmunzelnd. 

«Elena?», erwidere ich und kann sie in meinem Kopf deutlich hören. Sie wird halb deutsch und halb polnisch fluchen und dabei lautstark meinen Namen rufen. Es ist nicht das erste Mal, dass ich Chaos verursache, aber meistens bemühe ich mich, die Spuren zu beseitigen, bevor Elena da ist. Sie bemerkt es trotzdem jedes Mal. Ich schätze, es bereitet ihr immer noch viel Spaß, mir Lektionen im Aufräumen und Putzen zu erteilen. Wie sehr ich es am Anfang gehasst habe! Ich habe mich nicht als jemand gesehen, der jemals einen Wischeimer befüllt oder mit einem Staubsauger durch die Wohnung rennt. Immerhin haben wir inzwischen einen Saugroboter, obwohl Elena ihn immer kritisch beäugt und unzufrieden mit seiner Arbeit ist. Ich habe sie sogar schon erwischt, wie sie dem Saugroboter hinterhergesaugt hat. 

Michael legt eine Hand auf meine Wange. Unsere Blicke verfangen sich. Er lächelt, beugt sich nach vorn und küsst mich. Ich genieße die Berührung, öffne meinen Mund und heiße seine Zunge willkommen. Zuerst bleibt er zurückhaltend und sanft, aber dann taucht er gierig tiefer ein und drängt sich gegen mich. Ich schlinge die Arme um seinen Hals und erwidere den Kuss ebenso hungrig. 

Gedankenverloren schiebe ich Michael zum Bett. Vielleicht hilft eine ausgiebige Runde Sex, mich abzulenken. Leider durchschaut Michael mein Vorhaben und bremst, bevor wie beide auf die Matratze fallen können.

«Wieso bist du so nervös?», fragt er atemlos und mustert mich eindringlich. «Du bist seit Tagen kaum ansprechbar und vollkommen von der Rolle.»

«Sie haben noch nicht geantwortet», sage ich leise und hasse mich dafür, dass ich dermaßen ungeduldig bin.

«Der Brief kann doch frühestens vorgestern angekommen sein.»

«Aber Rik antwortet auch im Chat nicht und ...»

«Hast du gefragt, was los ist?», erkundigt er sich viel zu ruhig. 

Ich reiße mich von ihm los und tigere durch den Raum.

«Ich weiß nicht, was ich schreiben soll. Nach der Karte sind sie doch am Zug. Ich kann nicht nachfragen. Dann komme ich mir vor, als könnte ich es nicht abwarten. Was ja auch stimmt, aber das müssen sie nicht wissen.» Ich raufe mir die Haare, während Michael leise lacht.

«Du merkst hoffentlich selbst, wie verrückt du gerade klingst?»

«Ach leck mich», knurre ich und schiebe mich an ihm vorbei aus dem Zimmer. Natürlich hält er mich am Arm fest und zieht mich zurück.

«Ich gehe jetzt aufräumen», murre ich. «Du kannst mir gern dabei helfen.»

«Das kannst du schön allein machen», erwidert er mit einem breiten Grinsen. «Vielleicht lecke ich dich dann später im Bett.»

Ich weiß, dass es keinen Grund gibt, dermaßen auszuflippen. Was erwartet ich denn, was passieren wird? Hektisch wische ich über die Arbeitsfläche, die voller Mehl, Kakao und Eierschalen ist. 

Ein Treffen mit Rik nach all der Zeit. Mir war nicht bewusst, wie sehr ich ihn vermisst habe, bis wir angefangen haben zu chatten. Es war nur ein Zufall. Eine seltsame Fügung auf Instagram, die dann irgendwie dazu geführt hat, dass wir zu Whatsapp gewechselt sind und ... Ich sollte wirklich nicht so nervös sein. 

Mit Rik zu schreiben fühlt sich an, als hätte ein weiteres Puzzleteil seinen Platz gefunden. Als würde sich meine Vergangenheit mit der Zukunft verbinden und alles ist so echt und irgendwie perfekt.

Ich entsorge den misslungenen Teig im Mülleimer. Unfassbar, dass ich anstatt Zucker Salz genommen habe. Genervt schüttle ich über meine Dummheit den Kopf. Wieso wollte ich überhaupt backen? 

Wenn Rik es tatsächlich schafft, Bengt herzubringen ... der süße Engel. Ich war so ein verdammter Arsch. Manchmal kann ich selbst kaum glauben, wie ich mich aufgeführt habe, wie sehr ich ihn mit all den Lügen verletzt habe. Ich wusste immer, wonach er sich sehnt und war doch nicht fähig, es ihm zu geben. Er war eben nicht der richtige Mann für mich, obwohl ich es lange Zeit nicht wahrhaben wollte. Rik und Bengt sind wie geschaffen füreinander. Eigentlich ist es kaum zu glauben, dass ich mich damals wirklich hintergangen und verletzt gefühlt habe. Ich war das Arschloch und hielt mich zugleich für ein Opfer. 

«Das ist alles Mist», knurre ich und gebe der Tür des Geschirrspülers einen etwas zu heftigen Schubs, sodass das Geschirr leise klirrt. 

«Immer noch nicht besser?», erkundigt sich Michael. Er lehnt lässig im Türrahmen. Die dunkle Jeans sitzt tief auf seinen Hüftknochen. Das Shirt liegt eng auf seinem flachen Bauch. Die Ärmel umspannen die muskulösen Oberarme. Er ist so sexy, groß und voller Kraft. Genau das Gegenteil von dem, was ich mir immer vorgestellt habe und doch genau richtig für mich.

«Ich weiß einfach nicht, was ich machen soll», erwidere ich und lasse frustriert die Schultern hängen. 

«Warum ist es für dich so wichtig, wie sie auf die Einladung reagieren?», fragt er und bohrt damit zielgenau das Messer in die ohnehin schon blutende Wunde.

«Ich hoffe ja sehr, dass du dir nicht irgendwelchen polyamorösen Konstellationen vorstellst. Wir werden ganz bestimmt keine große glückliche Familie.»

«Was?» Entsetzt starre ich ihn an und schüttle den Kopf. «Ich will nichts von Rik oder Bengt.»

«Oder Ronny», fügt Michael grinsend hinzu.

«Und Sebastian interessiert mich auch nicht. Nur wegen der Vollständigkeit.»

«Nun, das wäre dann ja auch eher mein Part.» Michael lacht, während ich diesen seltsamen Stich der Eifersucht viel zu deutlich wahrnehme. 

Ich weiß, dass die beiden Freunde sind. Ich mag Sebastian, aber er ist eben auch all das, was ich nicht bin. 

«Verdammt», fluche ich und gehe zu Michael. Ich lehne mich gegen ihn. 

«Wie wäre es mit einem Whisky am Kamin?», schlägt er vor und schiebt mich in Richtung Wohnzimmer.

Michael geht hinter die Bar, stellt zwei Gläser auf den Tisch und holt unseren Lieblingswhisky hervor. Ein klassischer, nicht zu rauchiger Whisky. Ich beobachte, wie er zwei Finger breit von der goldenen Flüssigkeit in jedes Glas füllt. Dann schiebt er eins zu mir hinüber. Instinktiv greife ich danach, schwenke den schweren Becher und betrachte, wie der Whisky ölig von Glas rinnt. Wir prosten uns zu, atmen tief den würzigen Duft ein und trinken einen Schluck. Die rauchigen Aromen prickeln auf der Zunge, aber der Hauch von Vanille und Beeren ist so sinnlich, dass ich genüsslich die Augen schließe. Der Alkohol breitet sich warm in meinem Magen aus und lässt mich leise seufzen. 

Ich liebe den Geschmack, obwohl ich sehr gespannt auf meine Winterabfüllung bin, dessen Aromen nussiger sind. Noch nie durfte ich so selbstständig experimentieren. Es ist viel mehr als ein riesiger Vertrauensbeweis. Michael glaubt an meine Fähigkeiten und an meine sensiblen Geschmacksnerven. Wenn das Zeug jetzt wie Abwaschwasser schmeckt ... allein der Gedanke sorgt dafür, dass mir übel wird. Zum Glück ist es kein großes Fass. Die Abfüllung wird auch kein großes öffentliches Event. Ich möchte sie mit Freunden und guten Bekannten zelebrieren. Kati wird kommen, Michaels Bruder, ein paar Leute vom «Gentlemens Club», Ronny und Sebastian und ... und vielleicht Rik und Bengt.

«In der Weihnachtszeit fühle ich mich immer unsicher», sagt Michael auf einmal. Irritiert mustere ich ihn. 

«Ich dachte, ich hätte dich damals verloren mit all den Lügen und diesem dummen Vertrag. Als du weggegangen bist, war ich mir sicher, dass es vorbei ist.»

«Du hattest mich nicht verloren. Nicht eine Sekunde lang. Ich wusste schon als ich das Haus das erste Mal betreten habe, dass ich hierhergehöre. Das konnte ich weder dir noch mir eingestehen, schon gar nicht unter diesen Umständen. Du hast mir vor Anfang an diesen Halt gegeben, das Gefühl ein Zuhause zu haben ... Obwohl ich wütend und verletzt war, wusste ich, dass ich mit dir zusammen sein will.»

«Du bist unglaublich», sagt er und lächelt mich an.

«Wieso denkst du immer wieder darüber nach?», frage ich verwirrt, denn ich fühle mich in der Gegenwart so wohl, dass ich nur selten an unseren schmerzhaften Anfang denke. Für mich ist jeder Tag aufregend und neu. Ich habe mich noch nie so lebendig gefühlt. Und das liegt nicht allein an Michael, sondern an der Firma, den Mitarbeitern, den Leuten im Ort und auch an Ronny. Ich würde ihn nicht als meinen besten Freund bezeichnen, aber wir verstehen uns verdammt gut. Damals wollte ich nur Sex und habe ihn als Persönlichkeit gar nicht wahrgenommen. Inzwischen kenne ich ihn ziemlich gut, bin aber nicht daran interessiert, ihn ins Bett zu bekommen. Das würde Sebastian auch nicht lustig finden. Vielleicht wünsche ich mir so etwas ähnliches auch mit Bengt.

«Ich habe Angst, dass du Bengt zurückwillst», unterbricht Michael meine Gedanken. Der zittrige Tonfall sorgt dafür, dass mein Herz schneller zu schlagen beginnt.

Kommentar schreiben

Kommentare: 8
  • #1

    Karin (Samstag, 11 Dezember 2021 12:15)

    Hach, ich liebe Deine Adventsaktionen. Seit es Adventskalendergeschichten gibt, vernachlässige ich die herkömmlichen Kalender sträflich.
    Danke, dass Du das mit uns teilst und ein wunderbarschönes drittes Adventswochenende ♥️

  • #2

    Tanja Sonntag (Samstag, 11 Dezember 2021 12:59)

    Hach, ich liebe deine Jungs und ihre Schwängelbells Deko
    Ein schönes Advent Wochenende dir und deinen Lieben

  • #3

    Doji San (Samstag, 11 Dezember 2021 13:12)

    Oh ich hab Kevin vermisst!!
    Da hätte ich fast was verpasst.

  • #4

    Anja Hoffmann (Samstag, 11 Dezember 2021 13:12)

    Ich liebe Deine Aktionen einfach und auch Deine Geschichten.
    Habt alle ein schönes Adventswochenende und bleibt gesund. ❤

  • #5

    Sandra Stepan (Samstag, 11 Dezember 2021 13:19)

    Dein Adventskalender ist einfach super, jeden Tag fieber ich den neuen Seiten entgegen. Vielen Dank dafür ☺️
    Die Karten sehen toll aus, und das Talent von Ian feier ich jedesmal wenn ich was von ihm sehe.
    Wünsche dir ein schönes Adventswochenende. LG Sandra

  • #6

    Piccolo (Samstag, 11 Dezember 2021 13:45)

    Liebe Karo, vielen herzlichen Dank für den Gewinn. Ich bin total überrascht, weil ich so gar nicht damit gerechnet habe.
    Kevin hat sich in den Jahren enorm weiterentwickelt und das gefällt mir richtig gut.
    Ich hätte dafür nicht gedacht, dass Michael wegen Bengt so unsicher wird.
    LG Piccolo

  • #7

    Jana P. (Samstag, 11 Dezember 2021 23:13)

    Wieder so eine wunderschöne Szene, so schön, auch mal die andere Seite zu lesen. Wie unsicher Kevin ist, wie er sich entwickelt hat. Es ist immer wieder toll, wenn man von „ alten Bekannten“ liest� Bin soo gespannt � Danke für deine immer wieder großartigen Weihnachtsgeschichten, wünsch Dir einen schönen 3. Advent ���

  • #8

    Anna (Sonntag, 12 Dezember 2021)

    Ich wünsche dir auch einen schönen 3. Advent. Umd bin gespannt wie's weiter geht.
    LG Anna